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Mietzinszahlungspflicht während Lockdown 2. Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 

Immer wieder treten im Zusammenhang mit behördlich verhängten Ausgangsbeschränkungen und Betretungsverboten mitunter schwierige rechtliche Fragen auf. Bereits im November 2021 durften wir Ihnen die erste Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Mietzinszahlungspflicht im Lichte von Betretungsverboten während des ersten Lockdowns vorstellen (OGH 21.10.2021, 3 Ob 78/21y). 

Rechtsgrundlage für derartige Überlegungen sind die §§ 1104 ff ABGB. § 1104 ABGB sieht eine Mietzinsfreistellung vor, wenn das Bestandobjekt wegen „außerordentlicher Zufälle“ (wie zB wegen „Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen [oder] Wetterschläge“) nicht genutzt werden kann. Auch COVID-19 wird als derartiger „außerordentlicher Zufall“ (in concreto als „Seuche“) qualifiziert. 

In der nunmehr vorliegenden zweiten höchstgerichtlichen Entscheidung setzt der Oberste Gerichtshof seine Judikatur zu Fragen im Zusammenhang mit § 1104 ABGB fort (OGH Hauswirth-allg-2021 / PH/SP Anzahl der Seiten: 2/4 

25.11.2021, 3 Ob 184/21m). Dieser Entscheidung lag – zusammengefasst – folgender Sachverhalt zugrunde: 

Die Beklagte ist Mieterin eines Geschäftslokales in einem von der Klägerin betriebenen Einkaufszentrum. Vereinbarter Bestandszweck ist der Betrieb eines Nagel- und Kosmetikstudios. Die Anwendung des § 1104 ABGB wurde grundsätzlich (mit wenigen Ausnahmen) vertraglich ausgeschlossen. 

Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum war die Beklagte von drei Lockdowns betroffen. Das Nagel- und Kosmetikstudio der Beklagten fiel (als körpernahe Dienstleistung) zur Gänze unter die verordneten Betretungsverbote. Das Einkaufszentrum selbst war jedoch für den Betrieb anderer, von den Betretungsverboten ausgenommener Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen geöffnet. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bezog die beklagte Partei auch „Fixkostenzuschüsse“. 

Der genannten Entscheidung können unter anderem Antworten auf folgende Fragestellungen entnommen werden: 

  • Schuldet ein Mieter für das vom behördlichen Betretungsverbot erfasste Bestandobjekt den Mietzins auch dann, wenn sich dieses in einem nach wie vor zugänglichen, geöffneten Einkaufszentrum befindet? 

Der Oberste Gerichtshof verneint diese Frage unter Verweis darauf, dass es für die Unbenutzbarkeit des Bestandobjekts auf den vertraglichen Geschäftszweck ankomme. Sei der bedungene Gebrauch – wie beim vorliegenden Nagel- und Kosmetikstudio – durch Kundenverkehr gekennzeichnet, führe ein Betretungsverbot aus Anlass der COVID-19-Pandemie zur gänzlichen Unbenutzbarkeit des Bestandobjekts im Sinne des § 1104 ABGB und damit zur Mietzinsfreistellung. Der Umstand, dass das Mietobjekt in einem Einkaufszentrum liegt, welches zum Betrieb anderer, vom Betretungsverbot ausgenommener Geschäfte geöffnet ist, ändere daran nichts. 

  • Ist der Mieter auch dann von der Pflicht zur Mietzinszahlung befreit, wenn er einen „relevanten Restnutzen“ (wie die Verwendung des Geschäftslokals zu Lagerzwecken oder die Etablierung eines Onlineshops) aus dem Bestandobjekt zieht? 

Ob ein „relevanter Restnutzen“, wie etwa eine für den Geschäftszweck typische Lagerung von Waren oder das Belassen von Einrichtungsgegenständen, Einfluss auf den Anspruch auf Mietzinsfreistellung hat, lässt der Oberste Gerichtshof offen. 

Da der Mieter zur Bereitstellung von Online-Angeboten oder zum Online-Vertrieb (von Nahrungsergänzungsmitteln) nach den Bestimmungen des Bestandvertrages nicht berechtigt war, geht der Oberste Gerichtshof auch nicht auf die Frage ein, ob die Etablierung eines Onlineshops im Bestandobjekt etwas an der Mietzinsfreistellung ändert. 

  • Kann die Anwendbarkeit des Mietzinsminderungsrechts nach den §§ 1104 ff ABGB vertraglich ausgeschlossen werden? 

Der Oberste Gerichtshof hält – in Übereinstimmung mit der Bestimmung in § 1106 ABGB – fest, dass die gesetzliche Regelung über den Entfall oder die Minderung des Mietzinses von den Vertragsparteien grundsätzlich abbedungen werden kann. Im gegenständlichen Fall hat der Oberste Gerichtshof einen wirksamen Ausschluss des Mietzins-minderungsrechts – aufgrund einer etwas unglücklichen Formulierung im Mietvertrag – allerdings verneint. 

Die Frage, ob ein genereller Verzicht ohne besonderes Entgegenkommen des Vermieters (wie zB ein besonders niedriger Mietzins) unter Umständen sittenwidrig ist, wurde vom Obersten Gerichtshof offengelassen. Die Vorinstanz schien aber von einer solchen Sittenwidrigkeit auszugehen. 

  • Ist ein Unternehmer verpflichtet, bei Entfall der Verpflichtung zur Mietzinszahlung nach § 1104 ABGB einen bezogenen Fixkostenzuschuss an den Vermieter herauszugeben? 

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs ist der Mieter nicht verpflichtet, staatliche Unterstützungsleistungen an den Vermieter herauszugeben. Die Zuwendungen seien nicht dazu gedacht gewesen, den gesetzlichen Mietzinsentfall der Geschäftsraumvermieter wettzumachen. Für eine Herausgabeverpflichtung bestehe daher keine Rechtsgrundlage; wobei der Oberste Gerichtshof abschließend auch noch darauf hinweist, dass Geschäftsraummieter – im Sinne der in den Förderrichtlinien vorgesehenen Schadensminderungsobliegenheit – sogar verpflichtet sind, die ihnen zustehenden Mietzinsminderungen geltend zu machen. 

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung. 

Mit freundlichen Grüßen 

Peter Hauswirth 

Mietzinszahlungspflicht während Lockdown 2. Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 

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