Ausgangsregelungen, Regelungen zu Arbeitsorten, Regelungen zu Zusammenkünften, etc – auch wieder Regelungen über das Betreten von Kundenbereichen. § 7 der 5. COVID-19-NotMV untersagt (mit Ausnahme bestimmter Bereiche der Grundversorgung) das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels, von körpernahen Dienstleistungsunternehmen, von Freizeiteinrichtungen und von Kultureinrichtungen.
Wie mittlerweile allgemein bekannt, können derartige Betretungsverbote auch Auswirkungen auf die Mietzinszahlungspflicht der betroffenen Mieter haben. Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 1104 f ABGB. § 1104 ABGB sieht eine Mietfreistellung vor, wenn das Bestandobjekt wegen „außerordentlicher Zufälle“ (wie zB wegen „Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen [oder] Wetterschläge“) nicht genutzt werden kann.
Nunmehr liegt die erste Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Mietzinszahlungspflicht aufgrund von Betretungsverboten während des ersten Lockdowns vor (OGH 21.10.2021, 3 Ob 78/21y). Dieser Entscheidung können Antworten zu folgenden Fragen entnommen werden:
- • Ist COVID-19 eine „Seuche“ im Sinne des § 1104 ABGB?
Nach dem Verständnis des Obersten Gerichtshof ist unter einer „Seuche“ eine „Infektionskrankheit“ zu verstehen, „die infolge ihrer großen Verbreitung und der Schwere des Verlaufs eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt“.
COVID-19 ist sohin – so das Fazit des Obersten Gerichtshofs – als Seuche im Sinne des § 1104 ABGB zu qualifizieren.
- Streng genommen ist nicht die COVID-19-Pandemie der Grund für die Nichtbenutzbarkeit des Bestandobjekts, sondern die staatlich angeordneten Betretungsverbote. Kann sich der von einem Betretungsverbot betroffene Mieter sohin überhaupt auf § 1104 ABGB berufen?
Nach Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs sind die Kriterien des § 1104 ABGB auch dann erfüllt, wenn „erst unmittelbar aus dieser hoheitlichen Anordnung (Betretungsverbot) folgte, dass das für bestimmte Geschäftszwecke gemietete Objekt nicht entsprechend der vertraglichen Vereinbarung genutzt werden durfte“.
Fazit: Auch aus „Seuchen“ resultierende hoheitliche Eingriffe (Betretungsverbote) bilden daher einen Anwendungsfall des § 1104 ABGB.
- Wenn der Mieter während des Lockdowns seine Geschäftseinrichtung im Bestandobjekt belassen kann, ist er dann nicht zumindest zur teilweisen Mietzinszahlung verpflichtet?
Der Umstand, dass der Bestandnehmer während eines Lockdowns noch seine Geschäftseinrichtung im Objekt hat, ändert – nach Rechtsansicht des Obersten Gerichtshof – nichts am Anspruch auf Mietzinsfreistellung, zumal das bloße Belassen des Inventars in den Räumlichkeiten „keine Nutzung des Bestandobjekts zum vertraglich vereinbarten (Geschäfts-)Zweck“ ist.
Der Mieter hat daher auch bei Belassen des Inventars im Bestandobjekt grundsätzlich Anspruch auf volle Mietzinsbefreiung.
- Was hat zu gelten, wenn der Mieter das Bestandobjekt während des Lockdowns teilweise bzw eingeschränkt weiter nutzen kann? Steht dem Mieter in diesem Fall auch ein Anspruch auf volle Mietzinsbefreiung zu?
Zu dieser Frage findet sich keine Aussage in der nunmehrigen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs. Es bleibt sohin abzuwarten, was etwa zu gelten hat, wenn das Büro im angemieteten Geschäftslokal (welches von einem Betretungsverbot betroffen ist) weiter für administrative Tätigkeiten verwendet wird oder wenn etwa die Küche im angemieteten Lokal weiter benützt werden kann, um einen Lieferservice zu etablieren.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Hauswirth